Das Trockner-Duo
10.04.2024
Er ist für den Prozess zuständig, sie für die Software. Oliver Iglauer-Angrik und Imke Kuschel arbeiten an der Weiterentwicklung und Optimierung von Trocknungsprozessen für Lackieranlagen. Eine Zusammenarbeit, bei der Grenzen verwischen – auch zwischen den Generationen.
Sie arbeiten zusammen an neuen Produkten, wie zum Beispiel Lacktrocknern. Wie unterscheiden sich Ihre Jobs?
Imke Kuschel: Ich arbeite in der Digital Factory von Dürr, wo wir Software entwickeln, um Maschinen und Anlagen effizienter und nachhaltiger zu machen. Ich programmiere aber nicht selbst, sondern arbeite an den Schnittstellen zu den Prozessexperten wie Oliver und zu unseren Kunden.
Oliver Iglauer-Angrik: In der Funktion als Senior Expert bin ich weltweit im Konzern Ansprechpartner für Lacktrockner. Seit 25 Jahren beschäftige ich mich mit diesem Thema. Die Entwicklung neuer Trocknungsprozesse ist heutzutage nicht mehr von deren Digitalisierung zu trennen, denn wir wollen beide Aspekte von Anfang an am praktischen Kundenbedarf ausrichten. Prozesse neu und digital zu denken und dabei den Mehrwert für den Kunden im Blick zu haben, darin sehe ich meine Aufgabe in der Zusammenarbeit mit der Digital Factory. Imke ist hier meine wichtige Ansprechpartnerin.
An was für Innovationen arbeiten Sie?
I-A.: Ein Beispiel ist der Lacktrockner EcoInCure – ein Produkt, das 2016 auf den Markt kam und bei dem wir die Heißluft über die Windschutzscheibenöffnung in die Karosserie einströmen lassen. Mit dieser innovativen Technik trocknen wir komplexe Karosserien in kürzerer Zeit, schonender und mit besserer Lackqualität. Was aber in unseren Augen noch fehlte, war ein digitaler Nachweis des Trocknungsprozesses – ein Highlight, das nun seit 2020 zu unserem Produktportfolio gehört.
Was genau haben Sie gemacht?
K.: Wir haben eine Simulationssoftware entwickelt, die eine große Zahl von Daten auswertet. Damit lässt sich der Trocknungsprozess des Lacks für jede Karosserie schon während des Produktionsdurchlaufs digital abbilden. Ein Autohersteller kann also jederzeit nachverfolgen, wie die Qualität des Trocknungsprozesses jeder einzelnen Karosserie war. Das schafft die Software für alle Karosseriemodelle, die durch den Trockner laufen.
Welche Vorteile bietet die Software?
K.: Im Normalbetrieb bieten wir dem Betreiber mit unserer Software die Möglichkeit, karosseriespezifisch sämtliche Aufheizparameter abzubilden. Das dient zum Beispiel der Dokumentation bei späteren Lack- oder Durchrostungsgarantiefällen.
Zusätzlich ist die Trocknersimulation eine Entscheidungshilfe, um festzustellen, ob nach Prozessstörungen die Lackqualität in Ordnung ist oder nicht. Früher wurde in Zweifelsfällen eine Karosserie nach einer Störung weiterlackiert und erst am Ende der Lackierstraße festgestellt, dass sie aufgrund ungenügender Qualität nicht verwendet werden konnte. Mit unserer Software werden Karosserien nun sofort aus dem Prozess genommen und nicht erst umsonst weiterlackiert. Das spart Zeit bei der Analyse und schont wertvolle Ressourcen.
Ist Ihnen Nachhaltigkeit ein persönliches Anliegen?
I-A.: Es ist mir wichtig, verantwortungsbewusst mit den Ressourcen dieser Welt umzugehen. Da bin ich kein Einzelfall. Ich treffe im Konzern zahlreiche Menschen, die genauso denken. Wichtig ist mir, dass der Nachhaltigkeitsgedanke auch integraler Bestandteil unseres Unternehmensleitbilds „One Vision“ ist und damit bei der Entwicklung neuer Produkte oder Produktionsprozesse von Anfang an mitzudenken ist.
K.: Wenn wir in der Digital Factory eine Software entwickeln, dann spielt der Nachhaltigkeitsaspekt eine herausragende Rolle. Dies wollen wir auch unseren Kunden vermitteln: Eine Software, die Ressourcen schont und die Effizienz steigert, ist eine wichtige Anschaffung.
Es ist mir wichtig, verantwortungsbewusst mit den Ressourcen dieser Welt umzugehen.
Oliver Iglauer-Angrik, Senior Expert in Forschung & Entwicklung bei Dürr
Imke Kuschel
ist 34 Jahre alt und hat Technische Kybernetik studiert. Ein Fach, das sich mit mathematischer Modellierung, Simulation und Regelung komplexer Systeme befasst. In der Digital Factory von Dürr arbeitet sie als Mitglied eines Scrum Teams an der Schnittstelle zwischen Prozessexperten und Programmierfachleuten. Ihr breites Produktwissen und ihre fachliche Expertise im Softwareumfeld sind Voraussetzungen, damit die Prozessanforderungen gemeinsam mit den Programmierern in eine funktionale Software überführt werden können. Die Implementierung und Inbetriebnahme von Softwares aus der DXQ-Produktfamilie von Dürr beim Kunden gehören ebenfalls zu ihren Aufgaben.
Sie sind in der digitalen Welt groß geworden, Frau Kuschel, und seit fünf Jahren bei Dürr. Herr Iglauer-Angrik ist fünfmal so lange im Unternehmen tätig. Wie wirkt sich das auf die Zusammenarbeit mit einem Maschinenbauingenieur alter Schule wie Herrn Iglauer-Angrik aus?
K.: Der Altersunterschied spielt bei unserer Zusammenarbeit keine Rolle. Wir profitieren vielmehr gegenseitig von unserer Expertise. Oliver bringt sein Prozess- und Anlagenwissen zum Thema Lacktrockner mit, von unserer Seite fließen mathematische Zusammenhänge und Datenkenntnisse ein.
I-A.: Das ist der große Vorteil an einem Konzern wie Dürr: die Verbindung von digitalem Know-how mit Expertenwissen über Produktionsprozesse. Wir arbeiten auf unserer Arbeitsebene sehr eng zusammen, lernen viel voneinander und können dadurch – vielleicht mehr als andere Unternehmen – effektiv interdisziplinär vorgehen.
Oliver Iglauer-Angrik
ist 55 Jahre alt und seit 25 Jahren bei Dürr. Nach verschiedenen Stationen im Unternehmen ist der studierte Maschinenbauer heute als Senior Expert für die Trocknungstechnologie im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Neben der Karosserieaufheizung von lackierten E-Fahrzeugen sind die Effizienzsteigerung und Elektrifizierung von Trocknungs- und Abluftreinigungsanlagen im Kontext der CO2-neutralen Lackiererei Schwerpunkte seiner Arbeit. Hierbei verbindet er Expertenwissen über Produktionsprozesse mit digitalem Know-how. Die Beschäftigung mit der Thermodynamik führte ihn zudem über mehrere Jahre zu einem Lehrauftrag an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.
Der Altersunterschied spielt bei unserer Zusammenarbeit keine Rolle. Wir profitieren vielmehr gegenseitig von unserer Expertise.
Imke Kuschel, Softwareinbetriebnehmerin bei Dürr
K.: Das fängt schon bei der Verständigung an. Als Oliver und ich angefangen haben zusammenzuarbeiten, haben wir uns gegenseitig die Fachbegriffe unseres Aufgabenfelds erklärt.
I-A.: Web-Frontend, NoSQL-Datenbank, Red Hat – die exakte Bedeutung solcher Begriffe hat sich mir erst im Laufe der Zeit erschlossen und wie beim Vokabellernen einer Fremdsprache lerne ich auch hier stets dazu.
K.: Ich dagegen habe ziemlich viel über Lacktrockner gelernt. Wärmeübergangskoeffizienten, Lufthaushalt, Bernoulli-Gleichung, zentrales und dezentrales Beheizungskonzept, das war alles Neuland für mich. In der Digital Factory bin ich jetzt die Trocknerexpertin.
Gibt es eine Gelegenheit, bei der Sie sich mal besonders gut ergänzt haben?
I-A.: In der Lackiererei eines Kunden zeigte unser Simulationstool bei Trocknermessfahrten ein ungewöhnliches Aufheizverhalten. Das konnten wir uns nicht erklären. Wir haben lange eine theoretische Ursache gesucht, aber keine gefunden. Imke hat dann dafür plädiert, vor Ort nachzuschauen.
K.: In dem Werk haben wir festgestellt, dass eine Arbeiterin die Messfühler für die Trocknermessfahrten von Woche zu Woche abwechselnd an der Fahrer- und der Beifahrerseite angebracht hat.
I-A.: Das Beispiel zeigt, wie wichtig der gegenseitige Austausch ist, um Probleme zu lösen. Wahrscheinlich hätten wir noch eine Zeit lang nach einer theoretischen Erklärung gesucht. Imke hat mit ihrem Vorschlag dafür gesorgt, dass wir gemeinsam über unseren Tellerrand geblickt haben.
- Dürrs Technologien zur klimaneutralen Lackierung von Autos → Greenabler
Dr.
Heiko
Dieter
Product Management
Dürr Systems AG
Carl-Benz-Str. 34
74321 Bietigheim-Bissingen
Deutschland
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