Unternehmer, Vorbild, Mensch
10.04.2024
Heinz Dürr war eine der profiliertesten Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik. Bekannt wurde der „geborene Optimist“, wie ihn die Stuttgarter Zeitung nannte, vor allem als Chef der AEG und der Deutschen Bahn. Sein Herz schlug aber vor allem für das eigene Unternehmen. Für die Menschen im Dürr-Konzern war Heinz Dürr, der im November 2023 im Alter von 90 Jahren verstarb, vieles: Förderer, Visionär, Stabilitätsanker und eine nahbare Identifikationsfigur.
Als die Nachricht online ging, dass Heinz Dürr nicht mehr lebt, hielt sein Unternehmen inne. Nach wenigen Minuten schnellten die Klickzahlen im Intranet in die Höhe. Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in Gedanken bei „HD“ und seiner Familie, manche verfassten Online-Beiträge. Viele Likes erhielt ein Kollege, der schrieb: „Allein durch die Anwesenheit von Heinz Dürr hatte ich das Gefühl, da ist einer, der hat es im Griff.“ Der Satz bringt auf den Punkt, welche Sicherheit und Zuversicht Heinz Dürr „seinen Leuten“ gab. Und er verdeutlicht, wie wichtig eine starke Persönlichkeit ist, die der Belegschaft das Gefühl vermittelt, dass unter ihrer Führung nichts anbrennt.
Ich war seit jeher ein sehr umtriebiger Mensch, der sich gerne engagiert und Visionen in die Tat umsetzt.
Heinz Dürr
Vertrauen statt Misstrauen
Heinz Dürr wurde von einer unstillbaren Neugierde angetrieben. Besonders interessierte ihn, was junge Menschen im Konzern denken. In einer Diskussion mit Angehörigen der „Generation Y“ sagte er vor wenigen Jahren: „Man soll die Leute an dem messen, was sie können, und nicht an dem, was sie nicht können.“ Diese Aussage ist ermutigend und menschlich. Sie vermittelt den Beschäftigten: Die Führung meines Unternehmens zählt auf mich, so wie ich bin und mit dem, was ich kann. Mir wird nicht Misstrauen, sondern Vertrauen entgegengebracht. Eine solche Haltung gibt Rückhalt, und das ist die beste Grundlage für Leistung.
Man soll die Leute an dem messen, was sie können, und nicht an dem, was sie nicht können.
Heinz Dürr
Blickt man zurück auf die ersten Jahrzehnte von Heinz Dürr im Unternehmen, also in die 1950er-, 60er- und 70er-Jahre, wird etwas Wunderbares sichtbar: Heinz Dürr hat vielen Menschen um ihn herum eine nicht zu erahnende Entwicklung ermöglicht. Seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter kamen nicht aus dem Silicon Valley, dem Londoner Finanzviertel oder von Eliteuniversitäten, sondern waren bodenständige, oft schwäbische Lehrlinge, Arbeiter, Techniker, Sachbearbeiterinnen, Sekretärinnen und Ingenieure. Diese Menschen wurden „beim Dürr“ groß. Obwohl zuvor nie weit gereist, leiteten sie Projekte in Brasilien, bauten Lackierereien in den USA und erstellten Bilanzen für ein Unternehmen, das in Real, Franc und Dollar rechnete. In Zeiten des Wirtschaftswunders nahm Heinz Dürr sie mit auf seine unternehmerische Reise. So entstand ein Typus von Führungskräften und Beschäftigten, der den Dürr-Konzern noch heute prägt: fleißig, rechtschaffen, bescheiden, aber auch weltgewandt und in großen Dimensionen denkend.
Die Zukunft ist ungewiss, aber spannend.
Heinz Dürr
Gesellschaftliche Veranstaltung
Heinz Dürrs Credo lautete „Das Unternehmen ist eine gesellschaftliche Veranstaltung.“ Damit meinte er: Es geht darum, Produkte herzustellen, die die Gesellschaft braucht, und anständig mit den Menschen im Betrieb umzugehen. Als Familienunternehmer war er im althergebrachten Sinne für seine Leute da, setzte ansonsten aber auf Innovation. Nicht nur in puncto Technik, sondern auch kulturell und gesellschaftlich. Mit seiner Frau Heide brachte er in den 1960ern Theatergruppen in die Fabrik, ließ diskutieren, gründete eine Werksbibliothek und eine Mitarbeiterzeitung. Besonders am Herzen lag ihm die Dürr Big Band, bei der er gerne am Piano mitjazzte. Außerdem hörte Heinz Dürr dem Betriebsrat zu. Im Arbeitgeberlager kursierte daher das Wort vom „roten Dürr“, für die Menschen im Unternehmen war es normal. Heinz Dürr war keine graue Eminenz, sondern ein nahbarer Unternehmer. Er setzte nicht auf Uniformität und Jasager, sondern auf Menschen mit eigenem Kopf und Arbeitsethos.
Familie bleibt Ankeraktionärin
Heinz Dürr bezog viel Stärke aus seiner Familie. Seine Frau Heide und die Töchter Alexandra, Karoline und Nicole standen stets mit ihm hinter dem Dürr-Konzern und tun dies weiterhin. Die Familie Dürr bleibt Ankeraktionärin der Dürr AG. Alexandra Dürr gehört seit vielen Jahren dem Aufsichtsrat an.
Jedes Unternehmen hat seine Unternehmenskultur, vielleicht sogar eine Seele.
Heinz Dürr
„Macht mal weiter“
In späteren Jahren waren seine Anrufe legendär. Aus seinem Büro am Berliner Gendarmenmarkt meldete sich zunächst seine Sekretärin, Frau Doyl-Berger: „Herr Dürr möchte Sie gerne sprechen, ich stelle durch.“ Schon war man mitten im Gespräch. Das Telefon klingelte bei allen möglichen Leuten im Unternehmen, von denen Heinz Dürr etwas wissen wollte. Oft spontan, Hierarchien waren nicht so wichtig. Nie wieder einen solchen Anruf zu bekommen, war zunächst auch für Konzernchef Dr. Jochen Weyrauch schwer vorstellbar. Er erinnert sich an sein letztes Telefonat mit Heinz Dürr: „Es ging um Ingecal, unsere jüngste Akquisition. Herr Dürr wollte wissen, wie deren Kalandriertechnik funktioniert. Ich erläuterte es ihm und er meinte: Einverstanden, dann macht mal weiter.“
Als Heinz Dürr das sagte, ahnte niemand, dass das Unternehmen kurz darauf ohne ihn weitermachen müsste. Sein Tod markiert eine Zäsur. „HD“ war länger im Unternehmen als jeder andere, er prägte und personifizierte es. Dürr ohne Heinz Dürr? Für viele war das beunruhigend. Er selbst hätte auf langes Lamentieren aber allergisch reagiert. Für Heinz Dürr musste es immer weitergehen, Rückschläge waren kein Hinderungsgrund. Seine Familie zitierte in ihrer Traueranzeige den Philosophen Albert Camus: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Immer wieder anfangen, an sich glauben, das Glück im Machen suchen und zuversichtlich bleiben: Das ist das Vermächtnis von Heinz Dürr für sein Unternehmen.
Leute, bleibt neugierig!
Heinz Dürr
Mathias
Christen
Senior Manager & Spokesperson
Corporate Communications & Investor Relations
Dürr Aktiengesellschaft
Carl-Benz-Str. 34
74321 Bietigheim-Bissingen
Deutschland
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