Einsturzsichere Werte
10.04.2024
Bauklötze, Quizkarten und Bambusstöcke – um das Selbstverständnis ihres Unternehmens zu erkunden, absolvieren alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dürr-Konzerns einen zweieinhalbstündigen Workshop. Konzernchef Dr. Jochen Weyrauch hat ein Team aus der Fertigung dabei begleitet.
Der Turm aus vormals 60 Bauklötzen sieht jetzt, mit nur noch der Hälfte der Klötze, aus wie ein Gerippe. Wer will den nächsten Klotz rausziehen? Der Konzernchef bückt sich und bewegt ein Holzstück. Die Spannung steigt, der Turm beginnt zu wanken. Sekunden später liegen die Klötze am Boden. Die Gruppe johlt. Jochen Weyrauch schmunzelt: „Unsolides zum Einsturz zu bringen, ist meine Spezialität.“
Die Stimmung ist gelöst beim Werte-Kompetenz-Parcours in Bietigheim-Bissingen. In den vergangenen Monaten haben Hunderte Teams weltweit den Zirkel absolviert. Etliche weitere sollen in den kommenden Monaten folgen. Ziel der Übung ist, sich mit dem → Unternehmensleitbild auseinanderzusetzen.
An diesem Tag startet ein Team, das normalerweise Lackierroboter herstellt. Die drei Frauen und sieben Männer führen unterschiedliche Aufgaben aus. Einige fertigen die Bauteile, andere montieren sie, wieder andere programmieren die Software oder prüfen die Qualität des Endprodukts. Was eine Person tut, wirkt sich auf die anderen aus. Das erfordert Vertrauen, Verantwortung, Respekt, Neugier, Zusammenarbeit und Mut. Diese Werte des Leitbilds von Dürr werden auf dem Parcours vertieft.
Konzernchef Jochen Weyrauch begleitet das Team auf dem Parcours. Er will beobachten, was die Belegschaft mit den Werten verbindet. In den vergangenen zwei Jahren hat er die Entwicklung des Leitbilds persönlich vorangetrieben.
Gemeinsame Vision gibt Richtung vor
Warum ist ein Leitbild so wichtig? „Die Welt wandelt sich tiefgreifend. Daraus erwachsen ständig neue Herausforderungen, auf die wir schnell reagieren müssen“, sagt Weyrauch. Herkömmliche Entscheidungswege seien dafür zu lang. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen künftig noch mehr in der Lage sein, eigenverantwortlich zu denken und zu handeln.“ Dafür brauchen sie einen Kompass, der ihnen die Richtung vorgibt. Den liefert das Leitbild.
Bei der Station mit dem Turm geht es um Mut. Das Team, das die meisten Klötze herauszieht, ohne dass der Turm fällt, gewinnt. Doch wer will schon die Person sein, der den unvermeidbaren Einsturz herbeiführt? Mut ist wichtig, um diese Verantwortung zu übernehmen.
Gibt es solche Situationen auch in der täglichen Arbeit? Das will Moderatorin Katja Stiber im Anschluss von den Teilnehmenden wissen. „Wenn wir uns Fehler eingestehen“, schlägt eine Mitarbeiterin vor. „Vorgesetzten widersprechen“ oder „Änderungen im Fertigungsablauf durchsetzen“, das erfordere ebenfalls Mut, finden andere. Im zweiten Schritt soll gesagt werden, bei welcher Gelegenheit dem Team in letzter Zeit der Mut gefehlt hat und woran das lag.
Auf Kurs
Ein neues Leitbild richtet den Dürr-Konzern auf die Herausforderungen der Zukunft aus.
Mehr als ein Jahr hat der Konzern auf unterschiedlichen Ebenen ein Unternehmensleitbild erarbeitet. Rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlicher Funktion, Herkunft und Betriebszugehörigkeit beteiligten sich. Die Ergebnisse wurden verdichtet und auf den Punkt gebracht. Am Schluss stand eine Definition für Zweck, Vision und Mission des Unternehmens.
Der Unternehmenszweck verbindet Verantwortung für kommende Generationen mit Nachhaltigkeit sowie Wirtschaftlichkeit für Industrie und Handwerk. Herausragende Technologien erleichtern es Kunden, sicher und ressourceneffizient Produkte für Milliarden von Menschen zu fertigen.
Die Vision des Konzerns sieht vor, mit nachhaltigen Lösungen die Ressourceneffizienz im Maschinen- und Anlagenbau auf ein Spitzenniveau zu heben. Profitieren sollen davon Kunden, Gesellschaft und Umwelt.
Die Mission beinhaltet, dass die Menschen im Mittelpunkt des Unternehmens stehen. Der Dürr-Konzern bietet attraktive Arbeitsplätze, hilft ihnen, sich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Innovationen stellen sicher, dass der Konzern Technologieführer auf seinen Märkten ist.
Sechs Werte bilden die Basis des Leitbilds: Neugier, Mut, Vertrauen, Zusammenarbeit, Respekt und Verantwortung. In einem Parcours finden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heraus, welche Kompetenzen notwendig sind, um die Werte zu leben.
Sanfte Übung mit hartem Rohrstock
An der zweiten Station beschäftigt sich das Team mit „Zusammenarbeit“. Zum Aufwärmen sollen die Teilnehmenden einen Bambusstock auf die Spitzen ihrer Zeigefinger legen und langsam auf dem Boden absetzen. Der Stock darf weder in Schieflage geraten noch herunterfallen. Das bedeutet, alle müssen zusammen in die Knie gehen. Einfühlsamkeit und Kooperation sind gefragt.
Nach dieser Übung beginnt eine neue Fragerunde: Wo hat das Team in letzter Zeit gut zusammengearbeitet und wo nicht? Was waren die Gründe dafür? Bald drehen sich die Gespräche um wichtige Alltagsdinge wie kurze Dienstwege, geteilte Erfahrungen und Produktprüfungen. Vor allem Vertrauen, Fachkompetenz und der Respekt vor anderen Meinungen haben in der Vergangenheit eine gute Zusammenarbeit ermöglicht.
Kartenquiz mit Konzernprodukten
Zuletzt geht es um „Neugier“. Hier müssen die Teilnehmenden Produkte aus dem Dürr-Konzern erraten, die auf Quizkarten abgebildet sind.
Bei der anschließenden Diskussion kommt das Gespräch auf große Projekte, die der Dürr-Konzern für Automobilhersteller realisiert. Mehrere Mitglieder aus dem Team sagen, sie würden gern schneller darüber informiert, wie zufrieden Kunden mit dem Ergebnis sind. Weyrauch nickt. „Ein wichtiger Hinweis, den ich mitnehme.“
Auch in Zukunft über den Tellerrand zu blicken – das nimmt sich die Gruppe vor, um weiter so gut wie bisher zusammenzuarbeiten. Und je nach Situation, sagt eine Teilnehmerin, müsse man auch den Mut haben, Verantwortung loszulassen und Kontrolle aufzugeben.
Immer auf Augenhöhe
Konzernchef Dr. Jochen Weyrauch über wichtige Werte und wahre Glücksmomente
Sie haben ein Team aus der Roboterfertigung auf dem Werte-Kompetenz-Parcours begleitet. Was haben Sie dabei gelernt?
Weyrauch: Mich hat beeindruckt, wie offen miteinander diskutiert wurde und wie stark das Bewusstsein ist, gemeinsam in einem weltweiten Konzern zu arbeiten und dieselben Werte zu teilen.
Glauben Sie, dass Werte in der Unternehmenswelt wichtiger werden?
Weyrauch: Auf jeden Fall. Neben guten Zahlen brauchen Unternehmen eine Identität, die alle mittragen. Wenn man nicht weiß, wer man ist, fällt es schwer, ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Auf dem Parcours haben Sie sich auf Augenhöhe mit den Teilnehmenden bewegt. Ist das für einen Konzernchef Alltag oder Ausnahme?
Weyrauch: Ich versuche immer, mich auf Augenhöhe mit anderen Menschen zu bewegen. Ich höre mir Argumente an und wenn möglich, wird gemeinsam entschieden. Aber es ist klar, dass ich persönlich hinter einer Entscheidung stehen muss, weil ich letztlich die Verantwortung trage.
Welcher Wert ist Ihnen im Leben am wichtigsten?
Weyrauch: Ich würde mich nicht auf einen einzigen Wert festlegen, zumal sich Werte überschneiden. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist nur mit gegenseitigem Respekt möglich. Mut und Verantwortung – das gehört ebenfalls zusammen. Ich versuche, mein Handeln nach einem Werterahmen auszurichten.
Muss ein Konzernchef mutig sein?
Weyrauch: Mut ist eine wichtige Eigenschaft, um diese Rolle auszufüllen. Entscheidungen treffen wir auf Grundlage bekannter Fakten. Die Rahmenbedingungen können sich aber ändern. Deshalb spüre auch ich bei wichtigen Entscheidungen manchmal Unsicherheit. In solchen Situationen braucht es dann eben auch Mut.
Sie haben mal gesagt, dass Sie nach der Schule ein Motorradgeschäft in Paris eröffnen wollten. Würden Sie sich das heute noch zutrauen?
Weyrauch: Warum nicht? Ich verstehe heute viel mehr von der Führung eines Unternehmens – zugegeben eines etwas größeren! Aber wahrscheinlich würde ich aufgrund meines fortgeschrittenen Alters kein Gründerdarlehen mehr von der Bank erhalten …
In welchem Moment Ihrer Karriere hat Neugier eine wichtige Rolle gespielt?
Weyrauch: Neugier ist immer wichtig. Ohne Neugier hört man auf sich weiterzuentwickeln. Bei mir war die Neugier immer dann besonders groß, wenn ich in eine neue Verantwortung gekommen bin und mir entsprechend in kurzer Zeit viel Neues aneignen konnte. Aber es ist ganz wichtig, sich die Neugier auch im Alltag zu erhalten.
Vor wem haben Sie großen Respekt?
Weyrauch: Vor Menschen, die eine klare Haltung zeigen, auch wenn ihre Sichtweise zu Kontroversen führt. Aus eigener Erfahrung weiß ich natürlich, dass es oft den richtigen Weg zwischen Konsens und Kontroverse zu finden gilt.
Zum Beispiel?
Weyrauch: Um Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu fördern, müssen wir mutige Schritte gehen und dabei gleichzeitig den industriellen Kern unseres Landes stärken. Dazu braucht es Unternehmergeist und Innovation, aber auch einen Konsens in der Gesellschaft, um den nachhaltigen Wandel vorantreiben zu können.
Wollen Sie etwa in die Politik gehen?
Weyrauch: (lacht) Nein. Ich bin mit meiner derzeitigen Stelle sehr zufrieden.
Gibt es Menschen, denen Sie blind vertrauen?
Weyrauch: Natürlich würde ich meiner Frau, meiner Mutter oder meinen Kindern blind vertrauen. Aber die Frage zielt wohl auf meine Rolle im Unternehmen. Dort gebe ich erstmal allen einen sehr großen Vertrauensvorschuss. Wer ein Unternehmen führt, darf sich aber nie blind auf andere verlassen, sonst würde er seiner Verantwortung nicht gerecht.
Was bedeutet Glück für Sie?
Weyrauch: Glück heißt, mit mir selbst im Reinen zu sein. Dazu gehören Gesundheit und das Leben in einem guten Umfeld. Für mich liegt Glück oft in den kleinen Dingen.
Welche sind das?
Weyrauch: Ehrliche und offene Begegnungen mit Menschen wie heute auf dem Parcours. Mit den Mitarbeitenden zu reden und ihnen zuzuhören. Momente des Austauschs, bei denen man auch Spaß miteinander hat. Das sind für mich Glücksmomente.
Martina
Bausch
Officer Online Magazine
Corporate Communications & Investor Relations
Dürr Aktiengesellschaft
Carl-Benz-Str. 34
74321 Bietigheim-Bissingen
Deutschland
Carl-Benz-Str. 34
74321 Bietigheim-Bissingen
Deutschland