Verstecktes Juwel
23.03.2023
In einem Schwarzwaldtal sitzt die Konzerntochter BENZ Tooling. Der Spezialist für Werkzeugsysteme und Maschinentechnik beliefert Zukunftsbranchen im In- und Ausland. Jetzt erschließt der Hidden Champion neue Absatzgebiete.
Im Tal schlängelt sich ein Fluss, auf den Hängen stehen Bauernhöfe, in der Altstadt eine Kirche, ein Rathaus und alte Fachwerkhäuser. Auf den ersten Blick wirkt Haslach im Kinzigtal wie das Klischee ländlicher Schwarzwaldidylle. Doch die malerische Kulisse darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Ort in einer florierenden Industrieregion befindet. Mit weltbekannten Unternehmen. Und versteckten Weltmarktmarktführern. Zu ihnen gehört BENZ − eine auf präzise Werkzeugsysteme und Maschinentechnik spezialisierte Tochter des Dürr-Konzerns.
Winkelkopf, Motorspindel oder Drehverteiler heißen einige der Produkte, die aus Haslach in alle Welt gehen. Die Kombination aus Heimatverbundenheit und moderner Technologie gehöre zum Selbstverständnis von BENZ, sagt Geschäftsführer Martin Schreiber. „Regional verwurzelt, international erfolgreich“, so beschreibt er das Credo des Unternehmens.
Schreiber ist ein Manager mit internationaler Erfahrung, der lange in Asien gearbeitet hat. Bei BENZ schätzt er die besondere Atmosphäre im Arbeitsalltag. „Die Technologien des Unternehmens, der Einfallsreichtum und das Engagement der Menschen hier faszinieren mich“, sagt der 55-Jährige.
Beim Rundgang mit Schreiber spüren auch Besucherinnen und Besucher die familiäre Stimmung, die hier herrscht. Immer wieder bleibt er stehen, schüttelt Hände und kennt die Vornamen seiner Beschäftigten. Auch sie reden ihren Chef mit „Martin“ an. Schreiber begrüßt Katharina, eine junge Kollegin, die gerade eine Motorspindel zur Holzbearbeitung montiert. Ein ziemlich kompliziertes Aggregat, das aus Antrieb, Sensoren, vielen Kabeln und präziser Mechanik besteht. Ist die Spindel fertig, kann sie sehr effizient verschiedene Bohrungen ausführen und Aussparungen realisieren. Kunden verwenden sie beispielsweise in Maschinen zur Herstellung von Einbauküchen.
Wir sind regional verwurzelt und international erfolgreich.
Martin Schreiber, Geschäftsführer BENZ
Die Möglichmacher
BENZ stellt für Industriekunden unterschiedliche Bearbeitungseinheiten ganz nach ihren Bedürfnissen her. Immer wieder handelt es sich um so besondere Anforderungen, dass andere Hersteller passen müssen. BENZ jedoch ist gerade auf solche Fälle spezialisiert.
Welche Art von Herausforderungen die Fachleute hier meistern müssen, erklärt Schreiber anhand des Modells einer Aluwanne, die normalerweise in einem E-Auto die Batterie umschließt. Der Hersteller hat sie so konstruiert, dass Löcher für Schrauben oder Stifte auch an Stellen sitzen, die ohne Sonderwerkzeuge nicht erreicht werden können. „In solchen Fällen konstruieren wir zum Beispiel ein maschinell einsetzbares Aggregat, das ‚um die Ecke‘ bohren kann“, erläutert Schreiber.
Die Anforderungen an die Genauigkeit der Werkzeuge sind enorm. Manchmal kommt es auf einen Tausendstel Millimeter an. Dichtungen in Fahrzeugen etwa müssen hundertprozentig sitzen. Deshalb verlässt sich unter anderem ein großer chinesischer E-Auto-Hersteller auf den Präzisionsspezialisten aus dem Schwarzwald. „Zwar fallen durch die neuen Elektroantriebe Bearbeitungsaufgaben im Bereich der Verbrennertechnologie weg, gleichzeitig bieten sie aber auch das Potenzial für neue Aufgaben. Das ist zum Teil ein Segen für uns, ganz wie man die Sache angeht", zeigt sich Schreiber angesichts des Wandels in der Automobilbranche optimistisch.
Neben Fahrzeugindustrie und Holzbearbeitung gehören Medizintechnik, Luftfahrt und Windkraft zu den zukunftsträchtigen Branchen, deren Unternehmen auf Produkte von BENZ setzen. Man findet die Baugruppen von BENZ in Bearbeitungszentren von Schreinerwerkstätten und in vollautomatischen Fertigungsstraßen. Manchmal kommen auch sehr ausgefallene Aufträge. Zum Beispiel aus der Energiebranche, wo Kunden mit BENZ-Technik Schlüsselkomponenten herstellen. Schreiber berichtet von einem Kraftwerksbauer, der eine haushohe Turbine für viele Millionen Euro zu fertigen hatte. Für eine entscheidende Bohrung entwickelte und produzierte BENZ einen kundenspezifischen Großbohrkopf.
Maßgeschneiderte Produkte gehören zur DNA des Unternehmens. Als Xaver Benz die Firma 1946 gründete, reparierte er zunächst landwirtschaftliche Geräte in den Stallungen einer Gaststätte. Doch schon bald konzentrierte er sich auf eine Teilefertigung nach Zeichnungen. In der Zeit des Wirtschaftswunders wurden dann Stell- und Klemmhülsen produziert. In den 1980er-Jahren boomte das Unternehmen mit Winkel- und Großbohrköpfen. Später wurde das Angebot um Technologien ergänzt, die Mechanik und digitale Elektronik kombinieren. Zum Beispiel Aggregate mit automatischem Werkzeugwechsel. In einem einzigen Produktionsschritt lassen sich damit verschiedene Arbeiten blitzschnell ausführen. Denn das Werkstück wird nur einmal eingespannt, was Zeit spart.
Beeindruckende Ausbildungsquote
Solche digital ansteuerbaren Baugruppen herzustellen, erfordert Erfahrung und Konzentration. „Dafür brauchen wir begabte Experten, die Lust am Tüfteln und Umsetzen haben“, sagt Schreiber. BENZ kümmert sich selbst intensiv um den Nachwuchs und bildet viele Fachkräfte aus. Fast ein Zehntel der Beschäftigten sind Auszubildende. Über ihre Auswahl wacht Ivo Reinberger. Vor mehr als zehn Jahren war er selbst Lehrling bei BENZ, mittlerweile ist er für die gewerbliche Ausbildung verantwortlich. Reinberger organisiert auch Kooperationen mit Schulen. Jeden Dienstag kommt eine Klasse zum Technikunterricht in den Betrieb. Aus ihnen rekrutiert sich später ein Teil der Auszubildenden. „Fachkräftemangel ist bei uns noch kein großes Problem“, sagt der 32-Jährige.
Das liegt auch daran, dass BENZ den Zusammenhalt der Belegschaft fördert. Beispiel: Wer den Ausbildungsvertrag in der Tasche hat, wird zur Firmenbesichtigung mit anschließendem Grillabend eingeladen. Und darf die Eltern gleich mitbringen. „Die Atmosphäre im Unternehmen ist sehr freundschaftlich. Viele Angestellte kennen sich auch privat, das schafft Vertrauen“, bestätigt Jasmin Eble, die zehn Kilometer entfernt groß geworden ist. Sie hat vor Kurzem ihre Ausbildung als Industriekauffrau beendet und arbeitet nun im Marketing.
Ähnlich empfindet Melanie Neumann die Stimmung. Die ausgelernte Industriemechanikerin arbeitet in der Montageabteilung. Auch für sie ist BENZ eine große Familie. Der Bruder ist Werkstudent und ihr Vater arbeitet ebenfalls hier. „Er hat mich als Kind oft mit in den Betrieb genommen. Deshalb wusste ich, was mich in der Ausbildung erwartet.“
Jetzt wird’s eng
Zu tun gibt es für die 300 Beschäftigten genug. Das Asiengeschäft wächst, die Auftragszahlen steigen, der Umsatz liegt bei rund 60 Millionen Euro. Für Unternehmenschef Schreiber ist der Erfolg auch eine Herausforderung. „Unsere Kapazitäten reichen streng genommen nur für 50 Millionen Euro Umsatz.“ Entsprechend eng ist es in den Hallen und Büros.
Aus diesem Grund baut BENZ im 20 Autominuten entfernten Gengenbach einen neuen Firmensitz mit Fertigungs- und Montagehallen, die weiteres Wachstum zulassen. „Wir wollen eine attraktive und zeitgemäße Arbeitsumgebung schaffen“, sagt Schreiber. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden eng in die Planung des neuen Standorts einbezogen. Da im Verwaltungsbereich viele teilweise von zu Hause aus arbeiten, wird es frei verfügbare Arbeitsplätze nach dem Desk-Sharing-Prinzip geben. Auch Einzelbüros gehören dann der Vergangenheit an.
Die flexible Arbeitsumgebung spart Platz, Energie und Geld. Selbstverständlich werde auch er keinen festen Arbeitsplatz haben, sagt Schreiber. „Ich will mich nicht in ein Einzelbüro zurückziehen.“ Ein Chef müsse immer genau da sein, wo er gebraucht werde. Das gelte auf der ganzen Welt. Also auch im Schwarzwald.
Zu Besuch bei BENZ im Schwarzwald
Firmenporträt
BENZ Tooling ist einer der weltweit führenden Hersteller von Werkzeugsystemen und Maschinentechnik für die Bearbeitung von Metall, Holz und Verbundwerkstoffen. Mit viel Erfahrung, Präzision und Flexibilität entwickelt das international tätige Unternehmen hochwertige, genau auf die Anforderungen seiner Kunden zugeschnittene Lösungen.
300
Beschäftigte
60 Mio. €
Umsatz in 2022