Blick zurück nach vorn
17.03.2022
Gastbeitrag von Dr. Ingo Stader
Vor einigen Jahren war ich überrascht, als mir jemand sagte, er habe gar nicht gewusst, dass es Unternehmen gebe, die mehr als 100 Jahre alt seien. Nun bin ich Historiker und es ist meine Profession, mich mit Tradition und Herkunft zu beschäftigen, daher mag mein Blick durchaus etwas selektiv sein. Doch ein Blick in die Statistiken zeigt: Tatsächlich sind nicht einmal 8 Prozent der Unternehmen in Deutschland älter als 100 Jahre. Damit drängen sich auch schon die nächsten Fragen auf: Warum werden nur wenige Unternehmen so alt? Wie gelingt es, Krisen und Weltkriege zu überdauern? Gibt es ein „Erfolgsrezept“? Und: Wer waren und sind die Menschen hinter diesen Unternehmen, die Akteure? Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird, wie besonders ein solches Alter für Unternehmen ist und welcher Schatz an Erfahrungen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber Erfahrungen – positive wie negative –, Krisen und Erfolge sind sehr wohl übertragbar auf Gegenwart und Zukunft.
Die Dürr-Geschichte ist voll von Beispielen und Anekdoten, die immer wieder die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens zeigen: der Weg vom Bauflaschner zum Anlagenbauer, der mutige Sprung über den Atlantik 1964 oder der Gang an die Börse. Dabei kam den Akteuren eine besondere Rolle zu: Die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und sie dann auch zu ergreifen, ist ein ganz entscheidender Faktor für die Beständigkeit eines Unternehmens. Dieses Handeln ist typisch für viele erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer, doch kommt ein weiterer entscheidender Aspekt hinzu: das Verantwortungsgefühl. Bestehen kann nur, wer sich bei seinen Entscheidungen auch der langfristigen Konsequenzen für das Unternehmen und die Beschäftigten bewusst ist. Damit kommt zum Tragen, was Heinz Dürr so treffend auf den Punkt bringt: „Das Unternehmen ist eine gesellschaftliche Veranstaltung.“ Das nimmt all das vorweg, was heute unter Purpose, Social Responsibility und Nachhaltigkeit verstanden wird.
Die Beschäftigung mit Geschichte ist sehr lohnend und mitnichten rückwärtsgewandt. So war auch die Arbeit an dem Buch über die Firmengeschichte von Dürr für alle Beteiligten eine spannende Suche nach der Identität des Unternehmens. Für mich als Historiker ist es immer wieder hochinteressant zu sehen, dass Haltung und Grundsätze eines Unternehmens historisch gewachsen sein müssen, um sie dauerhaft als gelebte Unternehmenskultur verankern zu können. Darin liegt die Kraft von Geschichte.
Die Dürr-Geschichte ist voll von Beispielen und Anekdoten, die immer wieder die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens zeigen.
Dr. Ingo Stader
Zur Person
Dr. Ingo Stader berät und unterstützt namhafte Unternehmen bei der Aufarbeitung und Darstellung ihrer Historie, seit 2013 mit seiner eigenen Beratungs- und Geschichtsagentur H&C Stader. Der promovierte Historiker hat sich intensiv mit der Vergangenheit von Dürr auseinandergesetzt. Er ist Co-Autor des Buchs „Vom Königlichen Hofflaschner zum Weltmarktführer", das den Weg des Unternehmens von 1896 bis heute nachzeichnet.
BUCHTIPP
1896 gründete der Flaschner Paul Dürr in Cannstatt bei Stuttgart einen Handwerksbetrieb, aus dem später der weltweit führende Maschinen- und Anlagenbauer Dürr werden sollte. Lebendig und reichhaltig bebildert erzählt ein im Dezember 2021 erschienenes Buch von dieser facettenreichen Entwicklung.
Das Buch „Vom Königlichen Hofflaschner zum Weltmarktführer – 125 Jahre Dürr“ von Ingo Stader und Jesko Dahlmann ist für 32 € im Buchhandel erhältlich.
125 JAHRE IN 8 MINUTEN: FILM AB!
Ein überdimensioniertes Schachbrett, ein altes Fahrrad und eine große Holzkiste – Was das mit Dürr zu tun hat? Sehen Sie selbst. Tauchen Sie ein in die bewegte Geschichte unseres Unternehmens.