Bietigheim-Bissingen, 10. Juli 2020 – Dürr stellt ein komplett neues Layout für die Automobillackierung vor. Anstatt der herkömmlichen Lackierlinien, in denen Autos nacheinander lackiert werden, arbeitet die Lackieranlage der Zukunft erstmals mit nebeneinanderstehenden Lackierboxen. Dadurch kann die Autoindustrie eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle hochflexibel und – je nach Größe – unterschiedlich schnell lackieren. Für den Transport der Karosserien zu den Boxen hat Dürr das weltweit erste fahrerlose Transportsystem speziell für Lackierereien entwickelt. Die Lackieranlage der Zukunft spart Zeit und Material, ist nachhaltiger und lässt sich einfach erweitern. Dadurch eignet sie sich auch für neue E-Mobility-Start-ups, die mit kleinen Stückzahlen starten und die Produktion später ausbauen.
Im neuen Layout von Dürr gibt es nebeneinanderstehende Boxen, also Lackierkabinen, in denen Roboter den Lack auftragen. In jeder Box ist die Lackierzeit exakt an den Bedarf der jeweiligen Karosserie angepasst. So können kleinere Fahrzeugmodelle in einer Box schneller und damit in höheren Stückzahlen lackiert werden, während in einer anderen Kabine längere Taktzeiten für größere Autos angesetzt werden.
Neue Modelle lassen sich einfacher und schneller in die bestehende Anlage integrieren als bisher. Während eine Box beispielsweise für ein neues Elektrofahrzeug angepasst wird, kann in den übrigen Kabinen planmäßig weiterproduziert werden. Ein weiterer Vorteil: Für Wartungen oder bei Störfällen muss nicht mehr die komplette Lackierlinie gestoppt werden, sondern nur die Arbeit in der betroffenen Box. Die anderen Boxen arbeiten weiter und können als Ausweichmöglichkeit genutzt werden. Auch auf die Unterauslastung einer Lackiererei kann flexibler reagiert werden. Das Boxenkonzept erlaubt es zudem, zusätzliche Kapazitäten mit geringem Aufwand hinzuzufügen, um höhere Stückzahlen zu produzieren.
Innen- und Außenbereiche in einer Box lackieren
Weitere Vorteile bietet die Lackieranlage der Zukunft durch ihre neuartige, von Dürr zum Patent angemeldete Lackierkabine EcoProBooth: In ihr werden sowohl die Außen- als auch Innenbereiche der Karosserien lackiert. Bisher waren dafür zwei unterschiedliche Lackierkabinen erforderlich, außerdem wurde Fördertechnik für den Karosserietransport zwischen den Kabinen benötigt. Das Außen- und Innenlackieren in einer Kabine spart Zeit. Lackverluste beim Farbwechsel lassen sich im Vergleich zur Linienfertigung sogar um bis zu zehn Prozent reduzieren, wenn in einer Box ausschließlich eine Farbe appliziert wird – zum Beispiel Weiß, die Farbe von derzeit rund 30 Prozent aller produzierten Autos. Weniger Farbwechsel bedeuten gleichzeitig weniger Farbverluste sowie Spül- und Reinigungsvorgänge und somit auch weniger Emissionen flüchtiger organischer Stoffe, sogenannter VOCs. Da Lackfarben unterschiedliche Trocknungszeiten haben, bietet das Boxenkonzept die Flexibilität, auch für diesen Aspekt die Taktzeiten anzupassen.
Eine Besonderheit der EcoProBooth: In jeder Ecke der Lackierkabine sind sogenannte Service Cubicles für die Wartung der Lackierroboter integriert. Diese Service-Kabinen werden durchgehend mit Frischluft gespült und sind jederzeit auch ohne Atemschutzausrüstung zugänglich. Bei herkömmlichen Kabinen ist das nicht möglich. Wenn bei der EcoProBooth ein Roboter gereinigt oder gewartet werden muss, bewegt er sich zum Service Cubicle und streckt seinen Arm mit dem Lackzerstäuber durch ein Verbindungsfenster in den Service-Bereich, wo ihn ein Mitarbeiter leicht erreichen kann. Das spart Zeit und erhöht die Anlagenverfügbarkeit deutlich.
Fahrerlose Fördertechnik
Für zusätzliche Flexibilität sorgen bei der Lackieranlage der Zukunft ein Hochregallager, das als Zwischenspeicher für die Karosserien dient, sowie frei steuerbare, fahrerlose Transportsysteme. Anstelle starrer Fördertechnik auf Schienen bringen diese so genannten AGVs (Automated Guided Vehicles) die Autos vorausschauend sortiert und punktgenau von einer zur nächsten Arbeitsstation. Die AGVs werden von einer intelligenten Dürr-Software gesteuert und sichern so eine effiziente Auslastung aller Lackierboxen. Dürr hat mit EcoProFleet das erste speziell für Lackierereien konzipierte AGV entwickelt.
Dürr ist der einzige Hersteller, der ein derart flexibles Lackierkonzept ohne starre Linien anbietet. „Wir unterstreichen damit unsere Innovationsführerschaft und nutzen unser Expertenwissen über Produktionsprozesse“, sagt Ralf W. Dieter, Vorstandsvorsitzender der Dürr AG.
„Mit unserem Layout für die Lackieranlage der Zukunft nehmen wir eine Vorreiterrolle ein“, stellt Dr. Jochen Weyrauch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und im Vorstand zuständig für das Automotive-Geschäft, fest. „Wir unterstützen damit sowohl etablierte Hersteller als auch Start-ups bei ihren Neuanlagen: Sie alle können flexibel produzieren – egal, was die nächsten Jahrzehnte bringen.“
Die Lackieranlage der Zukunft ist einerseits geeignet für Automobilhersteller mit vielen verschiedenen Fahrzeugen, die neue Modelle einfach in ihre Produktionsprozesse integrieren wollen. Andererseits ist sie auch für Elektrofahrzeughersteller attraktiv, die neu auf dem Markt sind und zunächst kleine Stückzahlen produzieren, aber die Option zum schnellen Ausbau haben wollen.