„Zukunft braucht Herkunft“ ist ein Satz des Philosophen Odo Marquard, den Heinz Dürr gerne auf das von seinem Großvater gegründete Unternehmen anwendet. Schon in den 1960er-Jahren ließ er eine Dürr-Zeitung drucken, um den Mitarbeitern zu erklären, woher ihr Unternehmen kam und welche Ziele es verfolgte. In der ersten Ausgabe stimmte der damals 34-jährige Geschäftsführer die rund 1.300 Beschäftigten auf Wandel und Wachstum ein: „In einer Welt der Technik wird derjenige schlecht dran sein, der nicht rechtzeitig sein Entwicklungs-, Vertriebs- und Produktionspotenzial genügend ausgebaut hat.“ Heute ist Heinz Dürr Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Dürr AG, der Satz gilt noch immer.
Immer wieder neue Wege
Leidenschaft für Innovation und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, haben die Dürr-Geschichte geprägt. Paul Dürr investierte früh in moderne Maschinen, schon wenige Jahre nach der Gründung galt seine Flaschnerei als besonders fortschrittlich. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gelang der Wandel vom Handwerksbetrieb zu einem kleinen Industrieunternehmen mit Konstruktionsabteilung. 1950 startete man den Anlagenbau, die 1960er-Jahre brachten die erste elektrophoretische Tauchlackierung für Autos, die Gründung einer Auslandstochter in Brasilien und den Einstieg in die Umwelttechnik. Später kam die Fördertechnik dazu, bevor Dürr 1989 an die Börse ging, um mit den Erlösen den Applikationstechnikspezialisten Behr zu kaufen und dadurch zum Weltmarktführer in der Lackiertechnik aufzusteigen. Um die Jahrtausendwende installierte Dürr erstmals in großem Stil Lackierroboter und erwarb den Messtechnikkonzern Schenck. 2008/2009 investierte man – mitten in der Finanzkrise – in den Ausbau des Chinageschäfts. 2014 überraschte Dürr mit der Mehrheitsübernahme der HOMAG Group, mittlerweile ist der Weltmarktführer für Holzbearbeitungsmaschinen eine wichtige Säule des Konzerns. Zuletzt standen Investitionen in nachhaltige Technologien im Fokus: Der Kauf von Megtec/Universal (2018) verdoppelte das Umwelttechnikgeschäft, 2020 erweiterte die HOMAG Group ihr Geschäft mit Produktionstechnik für umweltfreundliche Holzhäuser. Darüber hinaus stärkte die HOMAG Group ihre Position in China durch die Komplettübernahme des Vertriebs-Joint-Ventures HOMAG China Golden Field. Die jüngste strategische Weiterentwicklung ist die Mehrheitsbeteiligung am Automatisierungsspezialisten Teamtechnik. Das seit Februar 2021 zum Dürr-Konzern gehörende Unternehmen bietet vor allem Prüftechnik für Elektroantriebe sowie Produktionsanlagen für Medizintechnik.
Platz für Unternehmertum
Vorstandschef Ralf W. Dieter erklärt die Anpassungsfähigkeit von Dürr: „Bei uns hat Unternehmertum viel Platz, wobei das nicht allein Sache des Managements ist. Unsere über 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen als Unternehmer im Unternehmen agieren. Wir vertrauen auf ihre Urteilskraft und geben ihnen Freiräume.“ Das gilt auch bei der Digitalisierung – dem aktuell wichtigsten Trend, den Dürr mit neuen Ideen gestaltet. Um schneller zu sein, bündelt das Unternehmen seine Software-Aktivitäten in einer Digital Factory mit flachen Hierarchien und agilen Prozessen. 2019 wurde Dürr von der RWTH Aachen als Vorreiter beim Einsatz künstlicher Intelligenz ausgezeichnet. Seit 2017 unterstützt das von Dürr mitgegründete IoT-Netzwerk ADAMOS die digitale Transformation im deutschen Maschinen- und Anlagenbau.
Auch Schattenseiten gehören zur Geschichte
Auch schwierige Phasen und Schattenseiten gehören zur 125-jährigen Unternehmensgeschichte. In den ersten Jahrzehnten drohte mehrfach die Insolvenz. Während des Nationalsozialismus war Dürr mit rund 80 Mitarbeitern in die staatliche Rüstungswirtschaft eingebunden. Im Zweiten Weltkrieg wurden auch Zwangsarbeiter in der Produktion eingesetzt. Dürr stellt sich der Vergangenheit und lässt seine Geschichte von Historikern transparent aufarbeiten. Auch am Entschädigungsfonds der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ hat sich das Unternehmen beteiligt.
Anfang der 2000er-Jahre mussten hohe Schulden abgebaut werden; dies gelang unter anderem durch den Verkauf von Unternehmensteilen außerhalb des Kerngeschäfts. Die Finanzkrise 2008/2009 hat der Konzern gut überstanden, da man in den Jahren zuvor viele interne Verbesserungen umgesetzt hatte. In der Corona-Krise gab es zwar deutliche Geschäftseinbußen, allerdings sorgten die gute finanzielle Situation und die hohe Liquidität für Stabilität.
125 Jahre „Engineering Passion“
Die Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr 2021 stehen unter dem Motto „125 Years Engineering Passion“. → Im Onlinemagazin Dürr & More lässt der Konzern die Firmengeschichte Revue passieren, unter anderem mit einem interaktiven Zeitstrahl, historischen Bilderrätseln, Filmsequenzen und der Rubrik „Abtauchen ins Archiv“, bei der man zum Beispiel in Akten aus dem Kaiserreich und alten Kundenlisten schmökern kann. Hier werden im Jahr 2021 fortlaufend neue Inhalte rund um die Unternehmensgeschichte eingestellt.
Ein Jubiläums-Event mit Kunden und Wegbegleitern ist für November geplant – sofern es die Corona-Situation zulässt. Bei diesem Anlass wird auch ein Buch zur 125-jährigen Unternehmensgeschichte vorgestellt werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen der Dürr-Konzern seinen Markterfolg in der Gegenwart verdankt, wird es Feierlichkeiten im In- und Ausland geben.