Kontrastfarben auf Dachflächen oder A- und C-Säulen, Streifendesigns oder diffizile Elemente wie Schriftzüge: Die Designanforderungen an Two-Tone-Lackierungen in der Automobilproduktion steigen stetig. Gleichzeitig wächst die Erwartung der Hersteller an die Anlagen. Sie sollen Kontrastlackierungen flexibel mit verschiedenen Farben und Lackarten auf diverse, auch vertikale Flächen aufbringen, ohne das Karosseriedesign zu ändern oder den Fertigungsprozess zu behindern – und das zu möglichst geringen Produktions- und Umweltkosten.
Für die anspruchsvolle Aufgabe, alle Lackarten oversprayfrei in Two-Tone-Linien vollautomatisch zu applizieren, hat Dürr seinen EcoPaintJet mit der Pro-Version weiterentwickelt: Das spezielle Robotersystem mit dem oversprayfreien Applikator und dem modifizierten Lackversorgungsprozess umfasst alle erforderlichen Komponenten, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu zählen neben einem innovativen Reinigungsprozess die vollautomatische Prüfung des Strahlbilds, Kamera-Sensoren zur Karosserievermessung sowie diverse Software-Werkzeuge zur Robotersteuerung, zur Generierung des Roboterprogramms und zur zehntelmillimetergenauen Anpassung des Lackierprogramms an das reale Fahrzeug.
Innovative Technik für mehr Designvielfalt
Das Herzstück des Systems ist der Applikator EcoPaintJet Pro, der, anders als ein Rotationszerstäuber, die Farbe mit Hilfe einer filigranen Düsenplatte aufträgt. Mehrere Dutzende, kaum sichtbare Einzeldüsen mit einem Durchmesser von etwa einem Zehntelmillimeter, applizieren die Farbe in parallelen Strahlen aus einem Abstand von bis zu 25 Millimetern auf die Karosserie. 100 Prozent des Lacks landen ohne Verluste auf der Oberfläche, sodass zweifarbige Lackierungen ohne Maskierung schneller und ressourcenschonender möglich werden.
Dass sich die Düsen unabhängig voneinander in Sekundenbruchteilen schließen und öffnen lassen, eröffnet den Automobilherstellern völlig neue Designmöglichkeiten. Durch das neue Applikationsprinzip können Designelemente wie zum Beispiel Zierstreifen oder Kontrastfarben vollautomatisch auf die Karosserie aufgebracht werden. Der EcoPaintJet Pro kann sowohl flächig lackieren als auch Muster aufbringen – ein direkter Übergang ist ebenso möglich.
Schnelle Farbwechsel ohne Abfall
Dürr hat den EcoPaintJet Pro von Anfang an darauf ausgelegt, dass Farbwechsel problemlos möglich sind. Er ist so konstruiert, dass sich an keiner Stelle Lack ablagern kann. Dies ist für einen schnellen und verlustarmen Wechsel zwischen zwei Farbtönen entscheidend.
Wichtig ist diese Eigenschaft auch bei der Verarbeitung von 2K-Lacken, denn diese härten schnell aus. Wenn nach dem Spülen kleinste Reste zurückbleiben würden, könnten die feinen Düsen verstopfen. Mit dem EcoPaintJet Cleaner lassen sich alle Reinigungs- und Spülvorgänge in einem geschlossenen System durchführen, sodass kein Abfall in die Kabinenumgebung gelangt – die Lackierkabine benötigt keine Overspray-Abscheidung mehr.
Vollautomatisierte Individualisierung
Die komplexen Geometrien der zu lackierenden Karosserieteile stellen hohe Anforderungen an die 3D-Vermessung und Programmierung von Roboterbahnen. DXQ3D.onsite unterstützt die Bediener bei der Konfiguration der Prozessparameter; die Software errechnet die Lackierbahnen automatisch, entlang derer der Applikator über die Oberfläche schwebt. Eine erste Messung erfasst und kompensiert etwaige Ungenauigkeiten der Fördertechnik oder des Karosserierohbaus. Ein zweiter, am Roboter montierter Sensor misst die Abweichung der zu lackierenden Karosserie zum Referenz-Muster. Die Robotersteuerung passt die Lackierbahnen in Echtzeit an. Geschwindigkeit und Neigungswinkel des Applikators werden so gesteuert, dass die Farbe stets gleichmäßig aufgetragen wird und kein Overspray entsteht. Die Entwicklung der Software-Tools ist ein stetiger Prozess. Erweiterungen und Optimierungen werden regelmäßig eingefügt.
Vielfältige Prozess-Layouts umsetzbar
Nicht nur in Neuanlagen, sondern auch in bestehenden Werken bietet EcoPaintJet Pro Automobilherstellern die Chance, oversprayfreie Applikationen zu integrieren. Hierzu stehen verschiedene Prozesse zur Verfügung, die an unterschiedlichen Stellen in die Lackieranlage integriert werden können. Beispielsweise kann der Kontrastlack auf den zwischengetrockneten Basislack appliziert werden oder auch als Einschichtdecklack auf den eingebrannten Klarlack. Eine maskierungsfreie Two-Tone-Lackierung mit EcoPaintJet Pro hat einen weitaus geringeren Platz- und Energiebedarf als eine vergleichbare, konventionelle Linie. Berechnungen zeigen Energieeinsparungen von bis zu 32 Prozent (bezogen auf die gesamte Lackierlinie) auf. Pro Karosserie können dadurch bis zu 33 kg CO2 eingespart werden.
Sowohl mit Blick auf die Produktionskosten als auch hinsichtlich der Umweltverträglichkeit ist das neue Verfahren von Dürr von großem Vorteil: Ohne Overspray ist keine Lackabscheidung mehr nötig und die übrige Karosserie muss nicht mehr mit Folie abgeklebt werden, sodass große Mengen Abfall eingespart werden. Hinzu kommt eine bessere Auslastung der Lackieranlagen. „Drucken statt Sprayen ist die Zukunft der Automobillackierung,“ ist sich Dr. Lars Friedrich, President & CEO Application Technology Dürr Systems AG, sicher. „Auch bei vertikalen Flächen kommen wir ganz ohne Overspray und Maskierung aus. Hinsichtlich Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit hat Dürr mit dem EcoPaintJet so einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht.“ Das neue Verfahren wird derzeit bei einem Automobilhersteller in die Fertigung integriert und in der zweiten Jahreshälfte 2022 in der Serienproduktion eingesetzt.