Im Gesamtprozess der Fahrzeugherstellung verbrauchen Lackieranlagen die meiste Energie, denn Lack aufzutragen und Karosserien zu trocknen ist außerordentlich energieintensiv. Entsprechend ist der Carbon Footprint moderner Anlagen trotz des technischen Fortschritts immer noch sehr groß. „Die EU will bis 2050 klimaneutral sein. Dieses Ziel hatten wir vor Augen, als wir auf dem Weg zur energetisch CO2-neutralen Lackieranlage eine neue Strategie wählten. Statt wie bisher Einzelelemente wie Lackierkabinen oder Trockner immer energieeffizienter zu gestalten, entwickelten wir mit EcoQPower ein System, das alle Energiequellen innerhalb einer Lackiererei berücksichtigt und Komponenten sowie Energieströme miteinander vernetzt“, erklärt Jens Oliver Reiner, Senior Vice President Sales der Division Paint and Final Assembly bei Dürr. Das neue Konzept analysiert Energiequellen und Energiesenken im Betrieb entlang der verschiedenen Betriebszustände und historischen Klimadaten. Der EcoQPower-Energieverbund gewinnt auf dieser Basis gezielt Energie an einer Stelle zurück, die dann an anderer Stelle sinnvoll wieder genutzt werden kann.
Carbon Footprint wird wesentlich kleiner
Nachhaltigkeit wird oft versprochen und entpuppt sich im Nachhinein nicht selten als Greenwashing. Um nachzuweisen, dass die erste mit EcoQPower optimierte Lackieranlage, die Dürr derzeit für einen deutschen Automobilhersteller realisiert, weniger Treibhausgase emittiert als eine Anlage ohne das Energieverbundsystem, arbeitete Dürr mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP zusammen. Die Wissenschaftler analysierten die Auswirkungen auf den Carbon Footprint. Dazu simulierten und berechneten sie die Werte für zwei identische, vollelektrische Fabriken am selben Standort und mit denselben Leistungsdaten – einmal mit und einmal ohne EcoQPower.
Im Sinne der Kreislaufwirtschaft wurde der gesamte Lebenszyklus von der Herstellung der Anlage einschließlich der Materialtransporte über die Nutzungsphase bis hin zum Lebensende betrachtet. Über diesen gesamten Zeitraum verringert EcoQPower den Carbon Footprint um 19,2 Prozent, so das Ergebnis der Studie des Fraunhofer IBP. Da der größte Teil der Emissionen, nämlich 91 Prozent, in der Nutzungsphase entstehen, ermöglicht EcoQPower den Anlagenbetreibern, klimafreundlicher zu wirtschaften. Zudem rechnet sich die Investition in Nachhaltigkeit. In der Nutzungsphase reduziert EcoQPower den Energieverbrauch um 20,6 Prozent, bestätigt die Dürr-eigene Energiebedarfsanalyse. Das bedeutet: Die optimierte Lackieranlage ist um rund 21 Prozent energieeffizienter als eine moderne Standardanlage. Dadurch spart der Betreiber über den angenommenen Nutzungszeitraum von 15 Jahren und 110.000 lackierten Autokarosserien pro Jahr Energiekosten in siebenstelliger Höhe.
Mit EcoQPower bleibt keine Energie mehr ungenutzt
EcoQPower basiert auf der Idee, dass jeder einzelne Fertigungsbereich nur noch die Energiemenge und das Temperaturniveau erhält, das er tatsächlich benötigt. In einer Standardanlage werden bislang alle Prozessschritte wie Vorbehandlung, Trockner und Lackierkabine isoliert betrachtet und versorgt. Beispielsweise wird überschüssige Energie aus dem Trocknungsprozess ungenutzt in die Umgebung abgeführt, die an anderer Stelle eingesetzt werden könnte. Genau an diesem Punkt setzt EcoQPower an: Durch die Gesamtbetrachtung integriert es alle Abwärmequellen, auch bislang nicht verwendete, und nutzt zudem auch Energie mit niedrigen Temperaturen weiter. Mittels Wärmepumpen wird dabei gleichzeitig Wärme- und Kälteenergie erzeugt. Möglich ist das, da die Experten von Dürr mithilfe einer selbstentwickelten Software den individuellen Wärme- und Kältebedarf sämtlicher Prozessschritte in einer Lackiereranlage ermitteln. Mit diesem Wissen nutzen sie Synergien aus den Prozessen und erlauben – in Kombination mit ressourcenschonender Technik – einen sparsamen Umgang mit Energie.
EU-Taxonomie definiert Standards für nachhaltige Projekte
Ein Instrument des Green Deals, dem politischen Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, ist die EU-Taxonomie. Das Regelwerk will über eine transparente Klassifizierung von nachhaltigen Investitionen sicherstellen, dass finanzielle Mittel in Projekte fließen, die den Klima- und Umweltschutz fördern. „Nachhaltigkeit wird für produzierende Unternehmen immer wichtiger werden. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Fertigungsprozesse maximal energieeffizient zu betreiben und damit ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen, die nachhaltig produzieren, in Europa langfristig immer deutlichere Vorteile bei der Finanzierung haben werden“, erläutert Reiner.