Raum vom Band
Gebäude aus Holz sind umweltfreundlich, bezahlbar und schnell erstellt. Aus vorgefertigten Elementen entstehen unter anderem komfortable Wohnungen und Büros. Die Dürr-Tochter HOMAG liefert dafür die Technik. Zum Beispiel an das Schweizer Holzbauunternehmen Blumer Lehmann.
Viele Hundert Baumstämme lagern auf dem Betriebsgelände. Neben den Werkhallen stapeln sich Bretter, Kanthölzer und Balken. Lastwagen rangieren, Maschinen brummen, es duftet nach Fichte und Tanne. Besucher merken sofort: Es geht um Holz bei Blumer Lehmann in Gossau, einem Ort bei St. Gallen, rund 25 Kilometer südlich des Bodensees.
Das Familienunternehmen baut aber weder Tische noch Stühle oder Schränke. Blumer Lehmann gehört zur Schweizer Lehmann Gruppe und ist eines der führenden Holzbauunternehmen des Landes. „Wir sind überzeugt, dass Holz der Baustoff der Zukunft ist“, sagt Katharina Lehmann, die den Betrieb seit 24 Jahren führt.
Wenn die Chefin über Holz spricht, ist sie in ihrem Element. „Ich bin in der Firma aufgewachsen“, sagt sie. Seit fünf Generationen ist das Unternehmen im Besitz ihrer Familie. Im ehemaligen Wohnhaus mit seinen pistaziengrünen Fensterläden befindet sich heute die Cafeteria. Ihre Vorfahren begannen 1875 mit einem Sägewerk an einem Bachlauf, später kamen Dachstühle zum Portfolio, dann Scheunen für die Landwirtschaft. „Seit rund 20 Jahren bauen wir komplette Gebäude aus Holz, darunter Mehrfamilienhäuser, Schul-, Büro- und Industriegebäude“, sagt Lehmann und ergänzt: „Wir kümmern uns um alle Arbeitsschritte – vom gefällten Baum bis zum fertigen Haus.“
Holzbau – die Vorteile in Kürze
1. Nachwachsender Rohstoff
Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft erhält die natürlichen Ressourcen der Erde.
2. CO2-Speicher
Holzbauten speichern CO2 über viele Jahrzehnte. Wird Bauholz recycelt, bleibt das Treibhausgas dem CO2-Kreislauf auf Dauer entzogen.
3. Tempo
Fertige Module lassen sich in wenigen Stunden aufstellen. Bei Bedarf können sie einfach an einen neuen Ort gebracht werden.
4. Schön warm
Eine 20 Zentimeter starke, mit Dämmstoff gefüllte Fertigbauwand aus Holz dämmt so gut wie eine fünfmal so dicke Betonwand.
Darunter sind nicht nur atemberaubende Bogenkonstruktionen wie das Swatch-Hauptquartier in Biel oder der Apple-Store in Bangkok – „Free Form“ nennen das die Experten. Einen großen Teil des Geschäfts bringen komfortable Gebäude, die aus Holzmodulen bestehen. „Die kompletten Module fertigen wir individuell nach Wunsch der Kunden in unserem Werk“, sagt Lehmann. Mit digital gesteuerten Anlagen, welche die Elemente rasch und effizient produzieren.
Das geht wesentlich schneller als monatelang Wände aus Ziegeln zu mauern oder Stahlgerippe mit Beton auszugießen. Außerdem verlagert es die Arbeit von der Baustelle in die Werkhalle. Dort ist es trocken, immer gleich warm und die Profis sind dauerhaft vor Ort. Das garantiert die konstant hohe Qualität der Module.
Vom Holzbautrend profitieren auch Umwelt und Klima. „Holz ist ein Rohstoff, den es hier im Überfluss gibt“, sagt Lehmann. Die Holzvorräte in den schweizer Wäldern sind groß und die Nutzung nachhaltig. Was in Gossau verarbeitet wird, stammt aus einem Umkreis von 80 Kilometern um den Firmensitz.
Riesiger Kohlenstoffspeicher
Dass Holz ein nachhaltiger Baustoff ist, darüber gibt es in der Fachwelt keinen Zweifel. Anders als bei der Produktion von Stahl und Zement entsteht kaum klimaschädliches CO2. Heute verursachen der Bau und der Unterhalt von Gebäuden knapp 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Die Zementindustrie allein ist für rund 8 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich.
Ein Einfamilienhaus aus Holz hingegen speichert bis zu 25 Tonnen CO2. So viel wie zweieinhalb Durchschnittsdeutsche pro Jahr emittieren. Auf ganze Ballungsräume hochgerechnet werden damit große CO2-Volumina dem Kohlenstoffkreislauf entzogen und können das Klima nicht mehr schädigen. Aus Elementen zusammengesetzte Modulbauten kann man sogar umziehen und an einem anderen Ort neu aufstellen. Holzhäuser lassen sich außerdem beim Abbruch wiederverwerten. Regierungen ziehen bereits Konsequenzen: Beispielsweise müssen in Frankreich öffentliche Gebäude ab 2022 zu 50 Prozent aus Holz bestehen.
Es sind Gründe wie diese, die Katharina Lehmann dazu brachten, den Holzbau zur wichtigsten Säule des Geschäfts zu machen. „Schon mein Urgroßvater sagte, unsere Aufgabe sei es, Lösungen für Probleme zu finden.“ Diesen Satz nahm sie sich zu Herzen, als ihr Vater einen Schlaganfall erlitt und sie mit 24 Jahren überraschend in die Firma einsteigen musste – neben dem BWL-Studium. „Zum Glück gab es vertraute und erfahrene Menschen, von deren Rat ich profitiert habe“, sagt sie. Seitdem hat sich der Umsatz verfünffacht, die Zahl der Beschäftigten wuchs von 70 auf 350.
Heute ist das Firmengelände so groß wie elf Fußballplätze. Der Rundgang beginnt bei den Holzstapeln, wo ein Kran Rundholzstämme in seinen Greifarm klemmt und auf einem Förderband ablegt. Die Stämme verschwinden in der Sägerei, wo sie zerteilt werden. Drei bis vier Tage lagern die Bretter anschließend in der Trockenkammer.
Fehlersuche mit digitalen Augen
Häuser müssen stabil sein. Das verwendete Holz darf keine Fehler haben. Astlöcher, Risse oder Harzeinlagerungen einzeln zu suchen und herauszusägen, dauert viel zu lange. „Deshalb haben wir eine maschinelle Sortieranlage gekauft, um das Holz besser zu veredeln“, sagt Lehmann.
Auf einem Förderband schießen die getrockneten Bretter durch die Hobelmaschine. Über ihnen wachen digitale Augen, die das Holz scannen. Eine smarte Software erkennt Fehler sofort und zuverlässig. Doch mehr noch: Die Maschinen des dänischen Anbieters System TM, der zur HOMAG Group gehört, sägen die Schwachstellen blitzschnell heraus. Mehr als sieben Fehler kann die Maschine pro Sekunde beseitigen.
Eine weitere Maschine von System TM leimt die Teile gleich wieder zusammen. Dazu schneidet sie Zacken in beide Brettenden, die wie Schlüssel und Schloss genau ineinanderpassen. Beim sogenannten Keilzinken entstehen somit standardisierte Bretter – gemacht für den Einsatz dort, wo es auf höchste Stabilität oder Ästhetik ankommt.
Mehrere der so zusammengefügten Holzstücke werden in einem weiteren Arbeitsschritt quer zur Holzmaserung in Schichten zusammengeleimt oder umweltfreundlich mit harten Buchenholzstiften genagelt. Das Ergebnis sind 20 Zentimeter dicke Balken. Diesen Fertigungsschritt lässt Blumer Lehmann bei einem externen Unternehmen erledigen.
Über ein besonderes Projekt
Das spektakuläre Gebäude auf dem Lattichareal in St. Gallen: 45 Module bieten auf dem Gebiet rund um den Güterbahnhof Raum für Kleinunternehmen der Kreativwirtschaft. Vor allem in der Stadt kommen die Vorzüge des modularen Bauens voll zum Tragen. Verkehrsbehinderungen wegen Bauarbeiten sind nur von kurzer Dauer. Im flexiblen Baukastensystem hat Blumer Lehmann die Module innerhalb kurzer Zeit aufgebaut.
Holzhauselemente vom Band
Auf den Trend zum Holzhausbau setzt die HOMAG-Tochter Weinmann seit Langem. Unter anderem bietet das Unternehmen Maschinen und Anlagen für den Abbund. So nennen die Zimmerer das Zusägen und Vorbereiten von Balken für den Dachstuhl. Zum Portfolio gehören ebenfalls automatisierte Produktionslinien für Bauelemente aus Holz für kleine Zimmereibetriebe, große Fertighaushersteller – und Kunden wie Blumer Lehmann.
Wie das funktioniert, lässt sich in der nächsten Halle beobachten. Mitarbeiter setzen aus Balken unterschiedlicher Länge den Rahmen eines Holzelements zusammen und decken diesen mit einer Platte ab. Dann schiebt sich die Multifunktionsbrücke von Weinmann über die Wand – und nagelt, bohrt, sägt, fräst, markiert. In wenigen Sekunden befestigt sie die Platte und sorgt für die Öffnungen für Türen, Fenster und Schächte. Das halbfertige Element wird nun gewendet, die Hohlräume werden mit Dämmstoff gefüllt. Eine zweite Platte verschließt die Wand.
Nach einer kurzen Endbearbeitung wird die Wand automatisch aufgestellt, dann geht es weiter ins Zwischenlager. Die Zimmerleute im Werk bauen Wände, Decken und Böden zu fertigen Modulen zusammen oder verpacken sie einzeln. Dann beginnt die Reise zur Baustelle per Lastwagen. Mithilfe eines Krans werden die Monteure die Fertigbauelemente dort aufstellen. In zwei bis drei Tagen steht das fertige Gebäude – ein Vorteil gerade in engen Innenstädten oder bei Kunden, wo es schnell gehen muss, beispielsweise bei Hotelerweiterungen.
Deshalb geht Blumer Lehmann noch einen Schritt weiter. „Oft liefern wir die einzelnen Module bereits fertig ausgerüstet mit Elektroleitungen, Wasserrohren, Tapeten, Fliesen und Küchenzeile“, sagt Lehmann. Von der Firma beauftragte Handwerker kümmern sich noch im Werk darum. „Sogar die WC-Bürste schicken wir auf Wunsch mit“, sagt sie und lacht.
Achtsam mit begrenzten Ressourcen umgehen – darauf legt das Unternehmen Wert. Deshalb sorgt es dafür, dass nichts verkommt. „Von einem kompletten Baum können wir nur rund 60 Prozent in der Produktion nutzen“, sagt Lehmann. Was übrig bleibt, ist Restholz. Der Rundgang führt vorbei an zwei Türmen, die aussehen wie Silos. „Hier lagern wir die Holzpellets, die bei uns im Betrieb produziert werden.“ Und was passiert mit der Baumrinde? Auch dafür ist gesorgt. Sie wird zu Mulch geschreddert und geht in den Landschaftsbau. Oder wird zu Briketts verarbeitet und wie die Pellets im eigenen Kraftwerk verwertet. Ein Ökosystem, in dem nichts weggeworfen wird.
In den kommenden Jahren will Katharina Lehmann ihre Produktion weiter digitalisieren. Dann kann sie noch effizienter individuelle Räume in großer Stückzahl fertigen. Auf lange Sicht nicht nur in der Schweiz. Lehmann erhält zunehmend Aufträge aus dem Ausland und expandiert – zum Beispiel nach Deutschland, wo bereits in diesem Jahr ein zweiter Standort für die Modulproduktion entstehen soll.