Für die Endmontage bedeutet der Systemwechsel hin zur Elektromobilität enorme strukturelle Veränderungen. Wie weitreichend diese sind, zeigt sich beim Umbau der Produktion von Volkswagen in Zwickau, in der seit Juni 2020 ausschließlich E-Fahrzeuge vom Band rollen – zukünftig sollen es bis zu 330.000 Stück pro Jahr sein. Auf die neuen Herausforderungen in der Endmontage reagierte Dürr mit der Strategie NEXT.assembly für das Endmontagegeschäft: Sie bündelt die Kompetenzen in allen Bereichen von der Planung und Beratung über die Förder-, Klebe-, Montage- und Befülltechnik bis hin zu den Prüfständen am Bandstraßenende und den passenden digitalen Lösungen für die Endmontage. Herstellern eröffnet das für ihre Elektro-Offensiven die Möglichkeit, für die Endmontage wahlweise Einzelbestandteile aus einem modularen Baukasten oder eine optimierte Gesamtlösung auszuwählen. Wie dieses Portfolio von Dürr genau zu den Bedürfnissen der Kunden passt, lässt sich beispielhaft am Standort von Volkswagen in Zwickau darstellen.
Scheibeneinbau: hochautomatisiert und flexibel
Das Scheibenzentrum für die Fertigung des modularen Elektro-Baukastens (MEB) wurde im Zuge des Werkumbaus hochautomatisiert. Zukünftig läuft alles vollautomatisch: die Zuführung der Großscheiben aus sequenzierten Transportbehältern und der Seitenscheiben aus sortenreinen Transportbehältern über das Logistikmodul, der Klebstoffauftrag sowie die Montage der Großscheiben im Taktbetrieb und der Seitenscheiben im Fließbetrieb. Bislang konnten Seitenscheiben nur im Stop-and-Go-Modus automatisiert eingebaut werden. Das ändert das von Dürr in enger Kooperation mit Volkswagen entwickelte „Line Tracking“-Verfahren, bei dem sich die Karosserien auf Schubplattformen kontinuierlich weiterbewegen, während Roboter die Seitenscheiben einkleben. Ein Vorteil sind erhebliche Kostensenkungen, da die Fördertechnik nicht mehr an den Taktbetrieb angepasst werden muss. Außerdem ist der Standort flexibel wählbar, denn die Seitenscheibenklebeanlage lässt sich an jeder beliebigen Stelle in der Montagelinie integrieren.
Hochzeit: schnell und kostensenkend
Bestens gerüstet für den bei E-Fahrzeugen veränderten Hochzeitsprozess ist das Zwickauer Werk auch mit acht Multi-Direktschraubsystemen x-gun. Dürr hat diese speziell für die Zusammenführung von Karosserie und Batterie entwickelt und erreicht damit einen einzigartigen Automatisierungsgrad. Denn die patentierte Schraubvorrichtung nimmt bis zu vier Schrauben in einem Magazin auf und verschraubt diese hintereinander mit nur einem Schrauber. Bei acht x-gun sind das 26 Schrauben in einer einzigen Minute. Da keine Zwischenspindeln auf Paletten mehr nötig sind, entfallen diese Kosten.
Befülltechnik: variantenreich und platzsparend
Der Innenraum des in Zwickau gefertigten ID.3 lässt sich mit unterschiedlichen Kältemitteln klimatisieren. Bei einer Option setzt Volkswagen zum ersten Mal das Kältemittel R744 ein, das aufgrund seiner thermodynamischen Eigenschaften zum Kühlen und Heizen verwendet werden kann. Die damit erzielte Energieeinsparung ermöglicht eine höhere Reichweite der E-Fahrzeuge. Die Produktionsumstellung erfordert es, auch die Befülltechnik technologisch zu erneuern. Ziel des Umbaus war es, die Befüllung der Fahrzeuge mit R744 in derselben Taktzeit zu erreichen wie mit den bisher verwendeten Kältemitteln. Dafür musste die Befülltechnik von der Grundeinheit bis hin zu den Adaptern für die neueste Adaptergeneration G4 Blue modernisiert werden. Eine Modifikation der Verfahrkonsolen machte die Integration der neuen Komponenten für R744 möglich.
Fördertechnik: kompatibel und funktional
Die Pilothalle des Zwickauer Werks besitzt eine 256 Meter lange Strecke für Hängeförderer. Bislang transportierten 22 C-Gehänge mit Hubschere die Karosserien. Diese sind allerdings nicht kompatibel für die Unterbaugeometrie der MEB-Plattform, insbesondere aufgrund der Hochvolt-Batterie. Deswegen hat Dürr die 22 Paar C-Gehängearme durch 4-Arm-Gehänge an den Unterrahmen der Hubschere des Karosserieträgers ersetzt. Weil es dadurch nicht mehr möglich war, Karosserien mit Rädern im Gehänge zu befördern, gehörte ein entsprechender Absetzhubtisch für die Rädermontage und den Umsetzvorgang zum Lieferumfang.
Die Einzelbestandteile aus dem Baukasten NEXT.assembly fügen sich in Zwickau zu einer Endmontagelösung zusammen, durch die alle Prozesse und Technologien für das Zeitalter der Elektromobilität bestens aufgestellt sind.
Video
Die vollautomatisierte Seitenscheibenmontage im Line Tracking zeigt Dürr hier im Video.