Ein Umzug ist immer herausfordernd – erst Recht, wenn es sich um eine komplette regenerativ-thermische Abluftreinigungsanlage (RTO) mit drei Türmen für 75.000 m³/h Abluft handelt. 60 Tonnen Technik mussten vom alten zum neuen Standort mit mehr als 20 Lkw-Ladungen transportiert werden, teils unter Polizeibegleitung wegen einer Überbreite bis zu 3,5 Metern. Doch der Aufwand lohnte sich: Ball Beverage Packaging erhielt durch die Weiterverwendung der vorhandenen Bauteile eine moderne 5-Turm-Anlage für nun insgesamt 110.000 m³/h Abluft. Die Kosten sind deutlich geringer als bei einer entsprechenden Neuanlage. Und zusätzlich hat der Getränkedosenhersteller noch einen Kapazitätspuffer für die Zukunft.
Energieeffizient hohe Abreinigungsgrade erreichen
Bei der Produktion von Getränkedosen entsteht wie in vielen anderen industriellen Prozessen lösemittelhaltige Abluft. Die aus Metall gefertigten Dosen werden von innen und außen lackiert. Der größte Teil der in den Lacken enthaltenen Lösemittel wird beim Aushärten der Lacke im Heißlufttrockner mit der Abluft emittiert. Die Firma Ball betrieb an ihren beiden Standorten Gelsenkirchen und Recklinghausen regenerativ-thermische Abluftreinigungsanlagen (RTO). Diese sehr nachhaltige Technologie, die sich vor allem für große, lösemittelhaltige oder geruchsbelastete Abluftmengen eignet, oxidiert die organischen Schadstoffe zu nahezu 100 Prozent. Hinzu kommt: RTO-Anlagen benötigen deutlich weniger Primärenergie als andere Abluftreinigungsverfahren, da zum einen über 95 % der eingesetzten Energie im internen Wärmespeicher zurückgewonnen und zusätzlich die in den heißen Abgasen enthaltene Energie zur Vorwärmung der Abluft genutzt wird. Ab einer Schadstoffkonzentration von ca. 1,5 g/Nm3 arbeiten die Systeme autotherm, das heißt, die Anlage wird dann ohne externen Brennstoff betrieben.
Umfassende Modernisierung als Turnkey-Projekt
Die Abluftreinigungsanlage der Firma Ball im Werk Recklinghausen war erst vier Jahre in Betrieb, als beschlossen wurde, diesen Standort aufzugeben und dafür den Standort Gelsenkirchen deutlich auszubauen. Dort allerdings wurde zur Abluftreinigung eine sehr alte, energetisch ineffiziente RTO-Anlage genutzt. „Wir hatten hier die Möglichkeit, eine bestehende Anlage des Unternehmens mit neuen Komponenten zu kombinieren und dadurch die Abluftreinigung kostenoptimiert auf den neuesten Stand der Technik und zusätzlich an die Bedürfnisse eines wachsenden Standortes anzupassen“, erklärt Rolf Schäfer, verantwortlicher Projektleiter bei Dürr in der Division Clean Technology Systems. Dürr wurde damit beauftragt, ein Konzept für die Erweiterung der vorhandenen 3-Turm-Bestandsanlage um zwei Türme zu entwickeln und das Projekt als Generalunternehmer durchzuführen. Dies beinhaltete die Demontage der Bestandsanlage in Recklinghausen, die Organisation des Transports, die Montage der Altteile und der Neukomponenten für die Erweiterung, die Installation einer neuen Steuerung mit angepasster Sicherheitstechnik, die Inbetriebnahme der modernisierten RTO am neuen Standort in Gelsenkirchen und die Einstellung auf die dortigen Produktionsanforderungen.
Kostenersparnis bis zu 30 Prozent
Im ersten Projektschritt führten die Dürr-Ingenieure eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Anlage durch und definierten die technischen Voraussetzungen für eine funktionssichere, wirtschaftliche Anpassung an das höhere Produktionsvolumen. „Für Auftraggeber rechnet sich eine derartige Anlagenmodernisierung. Sie können bis zu einem Drittel der Kosten sparen, die sie ansonsten für eine Neuanlage hätten ausgeben müssen“, ist die Erfahrung von Rolf Schäfer.
Umschluss in nur zwei Tagen
In dem bei Ball Beverage Packaging realisierten Konzept steckt viel Detail-Engineering, um die zwei neuen Turmelemente, inklusive zugehöriger Brennkammerteile, passgenau in die bestehende Anlage einzufügen. „Die Basis jeder Anlagenerweiterung ist die Bestandsanlage, auf deren Gegebenheiten alles ausgerichtet werden muss. Nehmen wir als Beispiel die Anströmung der Rohrleitungen: Die vorhandenen Durchmesser waren für die neue Kapazitätsanforderung zu gering und konnten konstruktiv auch nicht vergrößert werden. Deswegen haben wir eine Alternative konzipiert und strömen jetzt von zwei Seiten an“, erläutert Rolf Schäfer.
Eine besondere Herausforderung war der straffe Zeitplan, der eine Realisierung bis zur betriebsbereiten Übergabe binnen sechs Monaten vorsah. Extrem kurz war auch die Produktionsunterbrechung von nur zwei Tagen für den erforderlichen Umschluss, bei dem die RTO am neuen Standort in Gelsenkirchen an das bestehende Rohrleitungssystem angeschlossen wurde. Ball Beverage Packaging ist mit der neuen Abluftreinigung, die seit Mai 2019 in Gelsenkirchen im Einsatz ist, zufrieden: „Die Anlage ging ohne Komplikationen in Betrieb und arbeitet seither sehr zuverlässig“, bestätigt Ilja Hober, Projekt Manager bei Ball Beverage Packaging. Zudem wird die Kapazitätsverdopplung aktuell erst zu drei Vierteln ausgenutzt, sodass der Firma Ball für weiteres Wachstum noch genügend Spielraum bleibt.